Michel Jesse      
   Abstrakte  Kunst & Pop  Art.     Wo Worte aufhören fängt  Kunst an

Kunst

 SCHREIENDE FARBEN,
 DUNKLE SEELENHINTERGRÜNDE

Autor: Uwe Killing
( Freier Kultur Journalist und langjähriger Magazin - Macher, u.a. VANITY FAIR, MAX und WELT AM SONNTAG)

Die Kunst von Michel Jesse ist bunt. Knallbunt bisweilen. Hingekleckst oder wild dahingeschleudert, so ein hartnäckiges Vorurteil über die nicht-gegenständige Malerei, ist sie nicht. Ganz im Gegenteil.

In Jesses Werk herrscht eine ausgeprägte Geradlinigkeit und Diszipliniertheit. Ostwestfälische Minimal-Art sozusagen - wenn man seinen biografischen Spuren folgen möchte. Zugleich gibt es da aber auch dieses unvernünftige, kindlich unbekümmerte: die Lust am Farbenspiel, sein experimentieren mit unterschiedlichen Materialien. Das ist wohl das venezianische Temperament seines Vaters.
Um den Künstler Michel Jesse gerecht zu werden, muss man den Menschen hinter den Öl und Glas gewordenen Sonnenseiten sehen. Wer ihn bei der Arbeit erlebt, ahnt das grüblerische, das zweifelnde in ihm. Eine starke Macht, wie sie in vielen Künstlerseelenrumort. Er sagt selbst: ,,Dort, wo weder Licht und Schatten auf den Boden fällt, befindet sich für mich der Eingang in eine andere Welt.“ Das faszinierendene: Je größer der Kraftakt, desto heller und klarer scheint am Ende das Werk zu strahlen.
Michel Jesse hat seit Kindertagen eine ausgeprägte Vorliebe für Gummibärchen. Irgendwann hat er dann angefangen, sie zu bearbeiten, zu lackieren- und in seinen künstlerischen Kanon aufzunehmen. Diese Obsession ist Pop - Art in Reinkultur. Doch Jesse folgt nicht einfach nur Andy Warhol. Dieser erklärte die Bananenschale zu Kunst. Erhöhung der Altagskultur und ihr gleichzeitige Ironisierung. Warum also nicht auch der Gummibär? Bonbonfarben, plakativ, ein Symbol des süßen Massengeschmacks.

Der Unterschied ist fein, aber wesentlich. Ein etablierter Künstler wie beispielsweise Jeff Koons, der stellvertretend für das derzeitige Revival des 80er- Jahre - Pop - Art - Klischees steht, würde das Teil aus Gelatine und Farbstoff zweifelsohne zur monströsen Spielzeug- Skulptur erhöhen. Michel Jesse geht den entgegengesetzten Weg der Verkleinerung: das Gummibärchen ist für ihn ein Partikel mit reizvoller Struktur- und vor allem Spielmaterial, das seine Bildsprache nicht dominiert, sondern vielmehr erweitert.
Jesses Herzen aus Gummibärchen sind Objekte der Begierde, augenzwinkernde Pop - Art - Zitate, letztlich aber - und das ist entscheidend - Teil der Farb - und Formwelt des Michel Jesse. Eine Welt, die unverwechselbare Konturen angenommen hat.






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